Heute 1. Maikravalle – der alternative Ausflug!

Philosophen neigen dazu, sich immer mal wieder mit der Huhn-Ei Frage zu beschäftigen, respektive was von Beidem wohl zuerst gewesen sei. Schwierige Frage, die hier sicher keine Antwort finden wird. Und doch musste ich daran denken, als ich heute Vormittag in vielen Onlineportalen der Zeitungsredaktionen gelesen habe, wo und in welchem Umfang sich die Polizei auf die bevorstehenden Unruhen vorbereitet, welche Geschäfte ihre Schaufenster verbarikadierten und an welchen Standorten die Wasserwerfer in Position gebraucht wurden. “Da muss was los sein! Da geh ich doch mal hin!” dachte sich wohl der eine oder andere, der am Nachmittag noch keine Pläne hatte und ein wenig an die Sonne wollte. Und Gott sei Dank, die Leute sind hingegangen, ansonsten all die beschriebenen Sicherheitsmassnahmen für die Katz gewesen wären.

Die Bilder und Videosequenzen von heute Nachmittag beweisen; es ist einmal mehr zu unnötigen Ausschreitungen gekommen. Interessanterweise – oder besser gesagt, erwartungsgemäss – genau an den Schauplätzen, auf welche heute Vormittag im Internet hingewiesen worden ist. In einem Video schiebt ein Jugendlicher in weissen Hosen einen Container mit voller Wucht der Strasse entlang. Dieser beleibt nach sage uns schreibe 3 Metern stehen und richtet glücklicherweise keinen Schaden an. Seine Freundin im Hinergrund ist beeindruckt vom Mut ihres Weisshosenfreundes. Andere Bilder zeigen die Einsatzfahrzeuge der Polizei, wie sie Wasser in den Pöbel spritzen. Irgendwie wirkt alles eher erfrischend als beängstigend. Eine der grössten Zeitungen berichtet weiter, dass es für die Polizei schwirig sei Krawallbereite und Schaulustige auseinaderzuhalten.

Vielleicht ist nun verständlich, warum mir die Fragen nach Huhn und Ei in den Sinn gekommen ist. Irgendwie bin ich nicht mehr ganz sicher, ob die Polizei wegen der Krawallbereiten gekommen ist oder die Krawallbereiten wegen der Polizei. Irgendwie verdreht!

Diese Ausschreitungen scheinen vorbereitet und kalkuliert zu sein. Den Schaden so gering wie möglich zu halten, Ãœbersicht oder gar Überlegenheit zu bewahren scheint das Motiv dieser Vorbereitungen zu sein. Beim längerem Nachdenken gibt es jedoch die einen oder anderen Interessengruppen, die vielleicht gar nicht unglücklich sind, dass es jedes Jahr wieder ‘chöpft’. Und damit meine ich keineswegs nur die Krawallbereiten, Chaoten, Autonomen und wie man sie auch immer nennen will. Offensichtlich erscheint aber die neue Extremsportart Ausschreitungswatching und es ist zu befürchten, dass es Bier- und Wurststände für die Krawallbereiten und die Schaulustigen an den Strassenrändern gibt. Ganz dem Motto entsprechend ‘Wir leben Zürich – und zerstören es, aber nur ein bisschen und nur da wo die Polizei auch anwesend ist’.

Vielleicht könnte man auch sagen, dass es uns besonders gut geht, wenn die normale Bürgerin an solche Ausschreitungen gehen kann; einfach um mal dabei zu sein und das Ganze aus nächster Nähe anschauen zu können – scheinbar ohne Risiken und Nebenwirkungen, dafür mit Kinderwagen. Genauso wie ein Besuch im Zoo oder Museum. Aber irgendwie auch traurig, denn es ist nicht abwägig, dass eine 1. Maikundgebung einfach den Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen dienen könnte und Ungerechtigkeit im Arbeitsmarkt zum Thema hätte. Und ich bin der Ansicht, dass es durchaus genügend Themen hierfür geben würde; die durchaus an etwas populärerer Stelle in den Medien Platz finden dürften. Gar noch populärer als die Berichterstatttungen zu den Ausschreitungen?!

“Stell dir vor es sind 1. Maikravalle und keiner geht hin” (in Anlehnung an Carl Sandburg)